Willy Ley – Berliner, Raketenpionier, Weltraumhistoriker by Wolfgang Both
From The Space Library
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Abstract - Willy Ley – take the first steps into space with him
In the USA Ley is still a well-known evangelist of space flight, but in Europe he is widely unknown. When Ley left Germany in spring 1935 the rocket development had already been taken over by military research and been made secret. Secret until the first flying bombs fell on London in autumn 1944. Just at that time Ley's magnum opus "Rockets" was edited for the first time and made him into an undoubted expert on space flight.
Born in 1906 in Berlin he was a rocket pioneer in the Verein für Raumschiffahrt (founded in 1927). And he became a publicist and historian of space flight as well as a writer of science fiction. I came in touch with him via SF. We discovered his early novel "Starfield Company" (1929) and planned its publication. This novel gives an insight into the status of rocket development at that time.
We needed a biography which was collected from different sources (still growing) and appeared for the first time in Germany as an annex to the novel.
Both the scientific community as well as the science fiction fandom honored Willy Ley as a person of excellence.
Willy Ley – Berliner, Raketenpionier, Weltraumhistoriker
by/von Dr. Wolfgang Both, Berlin
"Ideas, like large Rivers, never have just one Source."
Dieses Zitat von Willy Ley „Ideen haben - wie große Flüsse - nie nur eine Quelle“ trifft auf die von ihm begleitete Entwicklung der Weltraumfahrt zu. Er war gerade einundzwanzig Jahre alt, als er seine ersten Erkenntnisse zur Raumfahrt nicht nur in Fachartikeln, sondern auch literarisch verarbeitete. Willy Otto Oskar Ley wurde am 2. Oktober 1906 in Berlin geboren. Sein Vater Julius Otto Ley war ein Wein- und Spirituosenhändler aus Königsberg in Ostpreußen, daher stammt der zweite Vorname. Die Likörfabrik J. O. Ley stand in der Köttelstraße 6. Seine Mutter Frieda, geb. May, war die Tochter des evangelischen Küsters Oskar May aus Berlin. Von ihm bekam Willy seinen dritten Vornamen.
Um das Geschäft auszubauen, ging sein Vater 1910 nach Amerika, dann nach Großbritannien, wo er 1913 in London ein Delikatessengeschäft eröffnete. Die Mutter folgte ihm dorthin, so dass Willy mit ihren drei Schwestern bei den Großeltern blieb. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges kehrte seine Mutter schnell nach Berlin zurück, im Arm die gerade acht Monate alte Hildegard, während sein Vater von den Engländern auf der Isle of Man interniert wurde. Er sollte erst 1919 nach Berlin zurückkehren, als Willy schon in der Schule war. In den schweren Kriegsjahren musste die Mutter die Kinder erneut alleine lassen, um sich im Berliner Umland als Hutmacherin zu verdingen. So sahen sie sich nur ein bis zwei Mal im Monat. Willy wuchs wohl behütet zwischen seinen Tanten und Großeltern in der Scharnhorststraße 24 auf. Er war ein guter Schüler und interessierte sich sehr für Naturwissenschaft und Technik. In seinem Zimmer hatte er Terrarien mit Lurchen und Kriechtieren. Wurden diese anfangs von seinen Tanten misstrauisch beäugt, so fand man man sie mit der Zeit ganz „nett“. Trotz der Not dieser Jahre bot ihm das kaiserliche Berlin viel Anregung. Einer seiner Lieblingsorte war das Museum für Naturkunde – noch heute berühmt für seine Sammlungen und das große Saurierskelett – wo er viele Sonntage zubrachte. Es lag gleich um die Ecke in der Invalidenstraße. Die Besuche dort regten ihn an, selber ein Entdecker zu werden. So schrieb er das in einem Schulaufsatz zum Thema „Was möchte ich werden, wenn ich groß bin, und warum?“. Er war sehr enttäuscht, dass er dafür eine schlechte Note bekam. Der Lehrer lobte zwar Schreibstil und Begründung. Aber das ganze wäre natürlich Unsinn. Wie kann jemand mit seiner Herkunft ein solches Ziel haben. Vor der ganzen Klasse wurde sein Wunsch als unerfüllbar dargestellt. Aber ihn überzeugte die Rede des Lehreres nicht, er blieb bei seinem Berufswunsch.[1]
Über die Bücher von Jules Verne, Kurd Laßwitz oder Carl Grunert sowie durch die Heftserie vom „LUFTPIRATEN“ kam er früh mit den Ideen der Weltraumfahrt in Berührung. Besonders Vernes Buch über „Herctor Servadac´s Abenteuer auf seiner Reise durch die Sonnenwelt“ hat ihn fasziniert, mehr noch als die „Reise zum Mond“. Hier wird früh sein Interesse für Astronomie geweckt. Und Willy hatte ein Talent für Sprachen. So belegte er auf der 5. Städtischen Realschule/Fichte-Realschule No. 5 in der Stephanstraße 2 auf dem anderen Spreeufer, (heute Moses-Mendelssohn-Schule) Kurse für Latein, Englisch und Französisch. Gern las er die Klassiker im Original. Später sollten weitere Sprachen hinzu kommen. Mit dreizehn macht er seine ersten Rückstoßexperimente. Zuerst stattet er sein 60 cm langes Blechschiff mit Spirituskocher und einer Blechdose als Wasserbehälter aus. Diese hat oben zwei nach hinten gerichtete Röhren. Da strömt der heiße Dampf aus und treibt das Schiffchen vorwärts. Nach einigen Versuchen klappt das so gut, dass das Schiff auf Nimmerwiedersehen abdampft. So versucht er es dann mit Modellflugzeugen. Hier ist es schwieriger, sie gewichtssparend mit Brenner und Boiler zu versehen. Bei einem Startversuch explodiert der Boiler, er wird von Metall- und Glassplittern übersät. Die Verletzungen sind heftig, so dass einige Splitter herausoperiert werden müssen.
Als er den Wunsch äußerte zu studieren, war dies für die Familie eines kleinen Geschäftsmannes ungewöhnlich und schwierig. Deutschland durchlebte gerade die schweren Nachkriegsjahre mit der Inflation. Die Familie beriet sich daraufhin mit dem evangelischen Geistlichen der Gemeinde, der sie ermutigte, seine Ambitionen zu unterstützen. So nahm Willy Ley eine Tätigkeit als Angestellter in einer Großbank auf, um sich sein Studium selbst zu verdienen. Das war eine für diese Zeit typische Werksstudentenkarriere. Er begann 1923 in Berlin und beendete seine Studien der Zoologie, Paläontologie und Astronomie 1927 in Königsberg. Danach war er freier Schriftsteller und Journalist in Berlin. Während dieser Zeit war er kurzzeitig Mitglied der NSDAP, Gau Berlin. Die Mitgliedschaft endete 1928. Er arbeitete nun für den Sozialdemokratischen Pressedienst. Seine Beiträge zu naturwissenschaftlichen und technischen Fragen erschienen in verschiedenen Zeitungen der SPD.
Während seines Studiums entdeckte er 1925 in einem Berliner Buchladen die Neuauflage von Max Valiers Büchlein „Vorstoß in den Weltenraum“. Er gab sein ganzes Geld dafür aus und kaufte auch noch „Die Erreichbarkeit der Himmelskörper“ von Walter Hohmann. So musste er zu Fuß von der Dorothenestraße über die Friedrichstraße bis nach Hause laufen. In der Dorothenestraße befand sich das Büro der Ferrostaal AG, wo er sich als Buchhalter sein Studiengeld verdiente.
Die anschaulichen, fast überschwenglichen Valierschen Schilderungen von „der Leuchtrakete zum Raumschiff“ und über „die Eroberung der Sternenwelten“ faszinierten ihn, befriedigten ihn aber nicht. So ging er „auf die Quellen zurück“, zu Hermann Oberths bahnbrechendem Werk „Die Rakete zu den Planetenräumen“ (1923). Letztlich war er mit Valiers populärem Büchlein unzufrieden (Oberth übrigens auch), so dass er sich 1926 hinsetzte und die Broschüre „Die Fahrt ins Weltall“ herausbrachte, die sich sofort in mehreren Auflagen verkaufte.[2]
Er war gerade neunzehn Jahre alt, hatte unter den wirtschaftlich schwierigen Bedingungen der Inflation ein Studium begonnen und machte sich nun auf, ein Publizist und Chronist der ersten Schritte in den Weltraum zu werden. Die nächste Gelegenheit sollte sich gleich ergeben: im Herbst 1926 öffnete die Archenhold-Sternwarte in Berlin-Treptow eine Ausstellung zum Thema Mars. Ein Freund machte ihn darauf aufmerksam. Sie verabredeten sich und besuchten gemeinsam die Sternwarte. Sie betrachteten nicht nur die Marsfotos und die Büchersammlung zum Thema. Ley kam auch mit dem Sohn des Direktors in Gespräch und erfuhr so, dass die Nachbauten des Galileischen Fernrohrs gezeigt hatten, dass man mit ihnen wirklich keine Einzelheiten auf der Marsoberfläche erkennen konnte. Der Besuch regte ihn dann zum Büchlein „Mars, der Kriegsplanet“ (1927) an.[3]
Bei einem Treffen im März 1927 mit Max Valier und Johannes Winkler anlässlich eines Vortrages in Breslau tauschte man sich über dieses Thema aus, besprach die Notwendigkeit, Kräfte zu bündeln und Valier wies Ley auf die noch unbearbeitete Geschichte der Rakete hin. So wurde Willy Ley nicht nur zum Chronisten einer Entwicklung, die er selbst begleitete und vorantrieb. Er wurde auch zu einem anerkannten Historiker für die Raumfahrt. Zahlreiche Werke, beginnend mit dem „Grundriß einer Geschichte der Rakete“ (1932), zeugen davon.
Nachdem auf Initiative Valiers am 5. Juli 1927 in Breslau der „Verein für Raumschiffahrt“ gegründet worden war, erhielt Ley von Valier einen Werbebrief, in dem ihn dieser zur Mitgliedschaft einlud. Auch andere Persönlichkeiten, wie der Schriftsteller O. W. Gail oder Prof. Oberth wurden von Valier und Winkler – dem ersten Vorsitzenden des Vereins – angeschrieben. So wurde Willy Ley im August 1927 Mitglied Nr. 20 in diesem neuen Verein der Weltraumenthusiasten.
Willy Ley und der Verein für Raumschiffahrt
Nach Beendigung seiner Studien nahm Willy Ley seine publizistische Tätigkeit auf. In Vorträgen und Beiträgen widmete er sich fortan der Raumfahrt. Daneben galt sein Interesse aber auch immer der Zoologie und der Paläontologie. Seine erste Broschüre enthielt daher Plaudereien über Echsen und Saurier: „Drachengeflüster“ (1927). Das Heftchen „Mars der Kriegsplanet“ (1927) ist eine Monografie der bis dahin erschienen Studien und Betrachtungen über unseren Nachbarplaneten.
Der schleppende Verkauf von Hohmanns Arbeit zeigte an, dass dieses Thema anders popularisiert werden musste. Auch die Vereinszeitschrift „Die Rakete“ konnte dies nicht leisten. Daher reifte in Willy Ley der Plan, einen Sammelband mit Beiträgen mehrerer Wissenschaftler herauszugeben. Es sollte ein „lesbares“ Buch werden, das vielleicht nicht den Mann auf der Straße, wohl aber Naturwissenschaftler, Ingenieure, Lehrer und höhere Beamte überzeugte. Im Vorwort schrieb er dazu: „ Mein Gedanke damals war, unter Heranziehung aller Autoren deutscher Sprache, die öffentlich bejahend zur Weltraumfrage Stellung genommen haben, ein nach Möglichkeit umfassendes Raketenbuch zusammenzustellen. Das gleichzeitig für möglichst viele verständlich sein sollte, denn auf das Interesse der Öffentlichkeit sind wir Raumfahrtleute mehr als jeder andere technische bzw. wissenschaftliche Zweig angewiesen.“ Über die Publikation sollten aus diesem Kreis neue Mitglieder für den Verein gewonnen werden, um die notwendigen Mittel für Raketenexperimente zu bekommen. Letztlich war es das Ziel, das „zu diesem deutschen Raketenbuch das deutsche Weltschiff entsteht.“ Also schrieb er führende Vereinsmitglieder wie Winkler, Oberth, Valier, Hohmann oder von Hoefft an und stimmte mit ihnen Beiträge ab. Letztlich waren in der „Möglichkeit der Weltraumfahrt“ neben Ley selbst Karl Debus, Hermann Oberth, Franz von Hoefft, Guido von Pirquet und Friedrich Sander vertreten. Nur Max Valier schaffte es nicht, den Beitrag über die Geschichte der Rakete zum Redaktionsschluss zu liefern, da er sich in seine Raketenexperimente mit Fritz von Opel verstrickt hatte. Hierüber reagierte man im Verein entsprechend verschnupft. Während man sich seit Monaten um eine seriöse Präsentation des Themas gegenüber der Öffentlichkeit bemühte - das Buch Anfang 1928 dazu einen wichtigen Beitrag leisten wollte - und es als eine „Kulturaufgabe“ beschrieb, das Raumschiff zu schaffen, ritt Valier auf unsicheren Pulverraketen durch die Presse. Im Verein „fletschte man kollektiv die Zähne“, wie Willy Ley später einmal bemerkte.[4]
Im Sommer 1928 kam es darüber hinaus zu einem heftigen verbalen Schlagabtausch zwischen den Befürwortern und Gegnern der Raumfahrt. So behauptete 1927 Prof. Hans Lorenz von der Universität Danzig in der Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure, dass ein Verlassen des Erdraumes physikalisch nicht möglich wäre. Beide trafen auf der Tagung der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Luftfahrt im Juni 1928 in Zoppot aufeinander. Willy Ley, der dem Ereignis beiwohnte, konnte feststellen, dass Oberth zwar kein brillanter Redner war, aber er nahm Lorenz in nur fünfzehn Minuten auseinander und wies noch einmal seine Ableitungen nach. Lorenz musste einräumen, dass er nur die ersten und letzten Seiten von Oberths Arbeit gelesen hatte und war völlig blamiert. Danach bemerkte einer der umstehenden Professoren Oberth gegenüber, dass er noch niemals erlebt habe, dass der Beitrag eines renommierten Kollegen in so kurzer Zeit „flachgebügelt“ worden sei. Am Nachmittag ergab sich die Möglichkeit für ein erstes persönliches Gespräch zwischen Willy Ley, Hermann Oberth und dessen Frau in Zoppot. Man fuhr dann wieder nach Berlin zurück, wo Prof. Oberth mit leitenden Beamten Gespräche führen wollte. Gleichzeitig konnte man im Verein feststellen, dass sich dieser in den ersten zwölf Monaten prächtig entwickelt hatte. Man zählte bereits mehr als 500 Mitglieder, auch über Deutschland und Österreich hinaus. Zahlreiche grundlegende Versuche zur Schubkraftmessung, zum Andruck auf menschliche Körper bei Beschleunigung, zu Flugexperimenten und weitere theoretische Überlegungen waren erfolgt. Genannt wurden auch die öffentlichkeitswirksamen Raketenwagenexperimente von Opel, Valier und Sander. Über Beiträge und Spenden konnte ein Grundstock von 1.000 Reichsmark angespart werden.
Während Willy Ley die erste Auflage seines Sammelbandes überarbeitete erreichte ihn in seinem Büro eine Rohrpostsendung von Oberth. Fritz Lang suchte für seinen Film „Die Frau im Mond“ einen wissenschaftlichen Berater. Hierfür hatte sich Max Valier angeboten, war aber nicht angenommen worden.[5] Statt dessen schickte Fritz Lang ein Telegramm nach Mediasch und bat Oberth im September 1928 um Mitarbeit. Dieser meldete sich aus seinem Hotel umgehend bei Willy Ley und bat ihn zu sich. Er hatte eine schreckliche Erkältung aus Rumänien mitgebracht. Aber beide sahen in diesem Angebot eine Möglichkeit, ihre Ideen zur Raumfahrt einem breiten Publikum nahezubringen. Auch wenn sich Oberth furchtbar über die Mondbesucher ohne Raumanzug aufregte – der Stummfilm erforderte noch die mimische Umsetzung der Szene. Oberth wurde für die nächsten Monate als Berater angeheuert und Ley bekam den Auftrag für ein Dutzend Artikel über die Dreharbeiten, die dann in den Publikationen der Ufa sowie in Tageszeitungen erschienen. Mitte Januar 1929 traf man sich in der Filmkulisse in den Ufa-Studios in Neubabelsberg. Mit dabei war auch der Erfinder Hermann Ganswindt.
Als Ley den enormen Aufwand für die Vorbereitung und Realisierung der Filmaufnahmen sah, gewann er den Eindruck, dass hier Mittel für ihre wissenschaftliche Arbeit übrig sein sollten. Also stichelte er bei Oberth: „Professor, wir sind hier beim Film, mit Fritz Lang höchstpersönlich. Hier spielt Geld keine Rolle. Hier gibt es die Mittel, um Ihre Formeln Wirklichkeit werden zu lassen.“. So entstand die Idee der Ufa-Reklame-Rakete. Sowohl Lang als auch die Ufa stellten je 5.000 Reichsmark für die Herstellung einer Rakete zur Verfügung, die zur Uraufführung starten sollte. Anfang Juli 1929 unterschreiben beide Seiten einen entsprechenden Vertrag. Neben den Studios in Neu-Babelsberg wurde für Oberth ein Labor eingerichtet und er begann mit Experimenten zu Raketendüsen und Treibstoffen. Er entwickelte und erprobte die „Kegeldüse“, wies die Selbstzerreißung der Benzintröpfchen bei der Verbrennung mit Sauerstoff nach und erlitt Anfang September 1929 schwere Verletzungen bei einer Benzinexplosion.
In dieser Zeit erschien Willy Leys Roman „Die Starfield Company“ als Wochenendbeilage in deutschen Tageszeitungen. Zu einer Buchveröffentlichung, wie vom Berliner Roderich Fechner Verlag angekündigt, kam es aber nicht mehr, da der Insolvenz anmelden musste.[6] Wie er in seiner Betrachtung zur Drehbuchvorlage von Thea von Harbou bemerkte, wären in der letzten Zeit schon genügend Raumfahrtromane erschienen, „wobei ich nicht ganz unschuldig bin“. Trotzdem versuchte er, eine Übersetzung in den USA fertigen zu lassen. Aber auch dieses Vorhaben scheiterte. Ebenso wie der Versuch, ein Science Fiction-Magazin nach amerikanischem Vorbild zu etablieren. Der angefragte Verlag Dr. Selle-Eysler, Berlin lehnte diese Idee umgehend ab. In seinen Roman lässt Ley den aktuellen Stand der Raketenforschung einfließen. Die Fragen um die Düsenform, die verwendeten Treibstoffe oder Startkonfiguration werden von Robinson, Prof. Mizumdar und Cora bearbeitet und den notwendigen Tests unterworfen. Wie bei Oberth beschrieben, kommen Wasserstoff und Sauerstoff als Brennstoffe zum Einsatz. Dabei berufen sich die Forscher auf die Ergebnisse deutscher, russischer und amerikanischer Forscher, die „vor Jahren ähnliche Versuche“ gemacht haben (S. 42). Immerhin spielt die Handlung des Romans im Jahr 1980. Auch der Begriff „Ofen“ für die Brennkammer stammt von Oberth. Ebenfalls hat Ley von ihm das Startprinzip seines Raumschiffes übernommen. Dazu wird es durch zwei Luftschiffe auf eine Höhe von mehr als zehn Kilometer geschleppt und von dort gestartet. Sein Raumschiff verfügt bereits über die Fähigkeiten eines Space Shuttle, kann selbstständig starten und landen sowie im Weltraum manövrieren. Dazu verfügt es über eine schwenkbare Steuerdüse. Auch die Idee einer „Schwenkdüse“ kommt von Oberth. Ebenso finden sich bei Ley Überlegungen zur Errichtung von künstlichen Himmelskörpern auf einer geostationären Bahn (S. 57). Dies geht ebenfalls auf Hermann Oberth zurück, der in seinem Werk künstliche Himmelskörper als „kleinen Mond“ bezeichnete. Oberth sah in ihnen eine Möglichkeit, erdumspannende telegrafische Verbindungen über Raumstationen aufzubauen, die Erde zu beobachten und zu fotografieren und erkannte deren strategische Bedeutung. Die Raketen, die im Roman auf die künstliche Mondbasis der Außerirdischen abgeschossen werden, sind nach dem Mehrstufenprinzip aufgebaut. Mit deren Bezeichnung „A1“ griff Ley um Jahre in die Zukunft. Denn das erste Raketentriebwerk, das Wernher von Braun Anfang 1933 testete, hieß „Aggregat 1“, kurz A1.
Aber auch zum Filmstart von „Frau im Mond“ in den USA wurde keine Rakete fertig. Wie ein Artikel von 1930 zeigt, versuchte Ley, dies in der Öffentlichkeit zu entschuldigen und mit Oberths Verpflichtungen in Rumänien zu begründen. Gleichzeitig zeigen die Fachartikel den wirklichen Stand der Raketenentwicklung. Zwar hatte Robert Goddard bereits 1926 in den USA eine Rakete mit Flüssigtreibstoff gestartet (was in Europa unbekannt geblieben war). Aber von den Zielwerten der Ufa-Reklame-Rakete war man noch weit entfernt. Oberth beteuerte später einmal, nie wieder etwas „auf Termin zu erfinden“.
Auch wenn der Film ein Kassenschlager war, die Mitgliederzahlen im Verein wuchsen nicht wie erhofft. Ende 1929 stagnierten die Mitgliedszahlen bei 600. Schon vorher war Winkler durch die Produktion der Vereinszeitschrift „DIE RAKETE“ selbst in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Das Titelbild entfiel, die Seitenzahl halbiert sich. Willy Ley versuchte nun, das Blatt durch eine inhaltliche Erweiterung attraktiver zu machen und präsentierte ab Mai 1929 die „Unterhaltungsbeilage“. Seine Honorarvereinbarung für die Schriftleitung beinhaltete, dass er erst ab 1.000 Vereinsmitgliedern entlohnt werde, aber der Erfolg stellte sich nicht mehr ein. Mit der Dezember-Nummer 1929 musste die Publikation aufgrund der hohen Verbindlichkeiten eingestellt werden. Die erste Euphorie war verflogen und die Weltwirtschaftskrise zeigte ihre Folgen. Um dieses wichtige Kommunikationsmittel für die Mitglieder zu ersetzen, gaben Rudolf Nebel und Willy Ley ab April 1930 das „Mitteilungsblatt“ des Vereins heraus.
Eines Abends, als Willy Ley nach Hause kam, klang ihm klassisches Klavierspiel entgegen. Er ging neugierig ins Zimmer; dort saß ein junger Mann am Klavier, der sich das Warten mit Klavierübungen vertrieb. Nach gemeinsamer Erinnerung war es wohl Beethovens „Mondscheinsonate“. Dieser stellte sich als Wernher von Braun, frischgebackener Abiturient und Mitglied des Vereins seit Juni 1928, vor und hoffte über Willy Ley in Kontakt mit seinem Idol Hermann Oberth zu kommen. Auch er war infiziert vom Gedanken der Raumfahrt. Nach anfänglich schlechten schulischen Leistungen entdeckte er Mathematik und die Naturwissenschaften als seine Passion auf dem Weg zu den Sternen. Frühe Skizzen und Kurzgeschichten belegen seinen Wunsch, selbst am „Rad des Fortschritts“ zu drehen. Nach dem erfolgreichen Abitur zurück im Berliner Elternhaus brachte er seine Freizeit in den Verein ein.
Gleichzeitig begann eine Verlagerung des Vereins für Raumschiffahrt von Breslau nach Berlin. Anfang 1929 fanden erste Gespräche in Berlin statt, dort eine Geschäftsstelle einzurichten. Im August erfolgte dies dann offiziell, der Patentanwalt Wurm übernimmt die Berliner Filiale. Am 15. Oktober 1929 war die Uraufführung von „Frau im Mond“, Artikel von Willy Ley und anderen Journalisten berichteten über dieses Ereignis. Winkler war im September 1929 von Breslau zu den Junkers-Werken in Dessau gewechselt und Max Valier kam Anfang 1930 nach Berlin, um in den Heylandt-Werken neue Experimente mit Flüssigkeitstriebwerken aufzunehmen. Der Verein wurde in Berlin immer stärker präsent. Nachdem Winkler von Willy Ley im Januar 1930 erfahren hatte, dass Oberth immer noch in Rumänien weilte, entschied er sich, mit dem Verein und der Idee stärker in die Öffentlichkeit zu gehen, um verlorenes Vertrauen zurück zu gewinnen. Am 4. März 1930 fand die erste öffentliche Mitgliederversammlung statt. Im April besuchten 200 Gäste die Vorträge von Winkler und Nebel zu Problemen der Raumfahrt. Im Mai ist man mit einer Werbewoche auf dem Leipziger Platz und im Kaufhaus Wertheim präsent. Die Ufa-Rakete wurde dabei zu Werbezwecken eingesetzt, nachdem der Verein sie (auf Vorschlag Leys) für 1.000 Reichsmark erworben hatte.
Rudolf Nebel war es in der Zwischenzeit gelungen, die Experimente so weit voranzutreiben, dass er Anfang März 1930 von der Reichswehr einen Vorschuss von 5.000 Reichsmark für die Vorführung eines Abschusses im Waffenprüfamt erhielt. Die Herren waren dann auch auf der Veranstaltung im April anwesend. Nebel, zu dessen Mannschaft inzwischen der Feinmechaniker Klaus Riedel gehörte, arbeitete an modifizierten Triebwerken und Raketen, die nur aus dem notwendigen Minimum (Minimum-Raketen – Mirak) bestanden. Ley traf sich mit Max Valier, um ihn wieder stärker in die Vereinsarbeit einzubinden und die Aktivitäten abzustimmen. Wenige Tage später kam Valier bei einem Experiment in seinem Berliner Labor ums Leben, er war das erste Opfer der Weltraumfahrt. Mitte Juli 1930 gelang es, einen ersten Test bei der Chemisch-technischen Reichsanstalt durchzuführen und sich die Leistung beglaubigen zu lassen. Die Neuentwicklung von Nebels Spaltdüse funktionierte noch nicht, aber Oberths Kegeldüse erbrachte Resultate, für die Dr. Ritter von der Reichsanstalt ein Zertifikat ausstellte. Danach ging Oberth wieder zum Schuldienst nach Mediasch zurück, während Nebel, Riedel, Heinisch und v. Braun ihre Experimente auf dem Feld hinter dem Hof von Riedels Großmutter in Bernstadt a. d. Eigen in Sachsen fortsetzten. Hier konnte man einige erfolgreiche Brenntests durchführen und berichtete auf Postkarten nach Berlin. Der geplante Raketenstart Anfang September endete aber mit einer Explosion des Triebwerks, so dass man beschloss, die Arbeiten in Berlin fortzusetzen. Willy Ley musste mehr und mehr die Vereinsorganisation und die Moderation zwischen dem Vorsitzenden Winkler, Oberth, dem neuen Geschäftsführer Rudolf Nebel (der eigentlich nur die fälligen Mitgliedsbeiträge einsammeln sollte) und dem Leiter der Berliner Geschäftsstelle Erich Wurm übernehmen. Daher stellt er im August 1930 den Antrag auf Aufnahme in den Vorstand. Zum 1. November 1930 wurde er als 2. Vorsitzender bestätigt, während Oberth den Vorsitz von Winkler übernahm.
Erste Mitteilungen aus dem VfR erschienen bereits Mitte 1930 im Bulletin der American Interplanetary Society.[7] Im Sommer hatte Willy Ley durch seine Korrespondenz mit Freunden in den USA Berührung mit der amerikanischen Science Fiction bekommen. Der amerikanische Autor R. F. Starzl schickte ihm einige Exemplare von SCIENCE WONDER QUARTERLY und andere Magazine. Ley nutzte die Gelegenheit, seinerseits an den Herausgeber zu schreiben und berichtete über die Aktivitäten der deutschen Raumfahrtgesellschaft.[8] Gleichzeitig schrieb er im SPD-VORWÄRTS über „Science Fiction in U.S.A.“. Dies erwähnte er auch in seinem ersten Brief an die amerikanischen Leser vom September 1930, wo er u.a. schrieb, dass er Vorträge zur „Geschichte der Rakete“ sowie zur „Science Fiction“ gehalten habe. Gleichzeitig hatten Oberth, Winkler und Nebel Vorträge zu Themen der Raumfahrt gegeben. Da die erste Weltraumzeitschrift „DIE RAKETE“ unter Federführung von Johannes Winkler Ende 1929 aufgrund finanzieller Probleme ihr Erscheinen einstellen musste, gaben Ley und Nebel nun die „Mitteilungen des VfR – Geschäftsstelle Berlin“ heraus, um die Mitglieder über die nächsten Schritte und die Erfolge zu informieren.
Da die Versuche in Bernstadt gezeigt hatten, dass man ein sicheres Testgelände brauchte, suchte man nun in Berlin und Umgebung. Ende September 1930 gelang es Nebel, einen Teil des Truppenübungsplatzes Berlin-Reinickendorf für 10 Reichsmark zu pachten. Das Gelände der ehemaligen Munitionsanstalt in der Nähe einer Polizeikaserne lag weit genug draußen, um in der nächsten Zeit Triebwerktest und Raketenstarts vorzubereiten. Der erste Raketenflugplatz der Welt entstand am nordwestlichen Rand Berlins. Von Oktober 1930 bis März 1931 liefen die Aufräum- und Ausstattungsarbeiten. Neben den vielen deutschen Mitgliedern hatten sich auch immer mehr ausländische Wissenschaftler und Vereine dem Verein für Raumschiffahrt angeschlossen. Die Korrespondenz wuchs, so dass Willy Ley als Vizepräsident diese Aufgabe und die neue Abteilung „Ausland“ übernahm. Zum Jahreswechsel gab es Grüße von Hugo Gernsback, R. F. Starzl und Lilith Lorrain. Perlemann schickte aus Leningrad einen Bericht über die Raketenforschung in der Sowjetunion, der in den Februarmitteilungen abgedruckt wurde.
Ley schätze damals ein, dass Ende 1930 die ersten wichtigen Ziele des Vereins erreicht seien:
- durch die Veröffentlichungen und Vorträge waren die theoretischen Grundlagen für die Raumfahrt gelegt,
- in der Öffentlichkeit war ein seriöses Bild von der Weltraumfahrt entstanden,
- der Verein hatte einen erheblichen Betrag für Experimente und Ausrüstung gesammelt,
- die entwickelten Triebwerke hatten eine erste Leistungsprüfung bestanden und waren sogar zertifiziert worden,
- mit dem Raketenflugplatz hatte man ein eigenes Testgelände zur Verfügung.
Damit bestanden gute Voraussetzungen, die nächsten Schritte in den Weltraum vorzubereiten. Die ersten Erfolge sollten sich bald einstellen: Am 21. Februar 1931 hob erstmals eine Rakete mit eigener Kraft vom europäischen Boden ab. Dies gelang Johannes Winkler in Dessau. Am 14. März legte seine Rakete einen richtigen Flug hin.[9]
Zu dieser Zeit konnte Ley seine erste SF-Kurzgeschichte (unter dem Pseudonym Robert Willey) im MAGAZIN veröffentlichen. Im April 1931 besuchte der Vorsitzende der amerikanischen interplanetaren Gesellschaft (AIS), G. Edward Pendray, den Raketenflugplatz. Er landete am 10. April 1931 auf dem Flughafen Berlin-Tempelhof, wo Willy Ley ihn empfing. Man erläuterte ihm den Stand der Arbeiten. Ihm konnte ein Testlauf vorgeführt werden und man verabredete eine intensivere Kooperation. Dazu wollte die amerikanische Seite die deutschen Versuche mit finanziellen Mitteln unterstützen. Auch von der Bildung eines Verbundes der Organisationen über die USA, Frankreich, Deutschland, Österreich bis Rußland war die Rede. In der Augustnummer von POPULAR SCIENCE MONTHLY erschien darauf hin ein mehrseitiger Beitrag über den Stand der Raketenforschung in Deutschland, speziell in Berlin. Eine zusammenfassende Darstellung aller Notizen mit Skizzen der Raketentypen aus Berlin veröffentlichte Pendray in der Juliausgabe der AIS-Vereinsmitteilungen.
Wenige Wochen später gelang Klaus Riedel der nächste erfolgreiche Start in Berlin. Nebel weilte gerade zu einer Marineausstellung in Kiel, als sich das Triebwerk auf dem Prüfstand langsam nach oben in Bewegung setzte. Ganz aufgeregt rief er Ley an berichtete, „das Baby hat sich bei einem Testlauf selbständig gemacht, ging hoch wie ein Fahrstuhl, fiel wieder zurück und hat sich das Genick gebrochen.“ Das „Genick“ war eine Treibstoffleitung, die schnell ersetzt werden konnte, so dass wenige Tage später der neue „Repulsor“ abhob und über 600 m flog. Der Begriff „Repulsor“ wurde von Willy Ley vorgeschlagen, um sich von den anderen Mirak-Lösungen abzugrenzen und geht auf den Roman „Auf zwei Planeten“ von Kurd Laßwitz zurück. Der Bericht über diesen Berliner Erstflug landete gleich bei Nebel im Briefkasten, so dass er die Nachricht nach seiner Rückkehr aus Kiel vorfand.
Trotz dieser Erfolge musste der Vorstand konstatieren, dass die finanziellen Mittel nicht reichten. Nur noch 150 zahlende Mitglieder zählte der Verein Mitte 1931. Wäre nicht der Mäzen Hugo Hückel gewesen – der gleichfalls Winkler finanzierte – so wäre die Entwicklung hier wohl zuende gewesen. Da Oberth überraschend aus dem Verein austrat, lag die ganze Vereinsorganisation nun bei Willy Ley. Dieses organisatorische Defizit machte sich Rudolf Nebel zunutze und vergrößerte seinen Aktionsradius als Geschäftsführer und „Leiter des Raketenflugplatzes“ erheblich. Seine Mannschaft erreichte im August 1931 Höhen von einem Kilometer und sichere Landungen der Testkörper dank Fallschirm. Hieran nähten die Freundinnen von Klaus Riedel und anderen auf dem Raketenflugplatz.
Auf Drängen von Hückel kam Johannes Winkler zwar im Herbst 1931 auch auf den Raketenflugplatz nach Berlin. Aber es gelang beiden Mannschaften nicht, sich auf eine Zusammenarbeit zu verständigen. Nebel beanspruchte die Leitung des Teams auf dem Testgelände, Winkler pochte auf seinen technischen Vorsprung. Ley fand immer nur verschlossene Werkstatträume vor, die von Hückel beabsichtigte arbeitsteilige Nutzung der Technik, der Messstände und Dewargefäße fand nicht statt. Den Vertragsentwurf von Nebel empfand Winkler als Zurücksetzung seiner Erfolge. So suchte er sich 1932 neue Startplätze für seine Rakete Modell-2.
Mit dem neuen Vorsitzenden, Major von Dickhuth-Harrach, übernahm im Dezember 1931 zwar ein altgedienter Militär die Vereinsführung, aber er entlastete Willy Ley für die nächste Zeit. So konnte man sich wieder auf die Vereinsarbeit konzentrieren und strebte nun eine organisatorische Trennung von Verein und Raketenflugplatz an. Von Dickhuth konstatierte ein „Vernebeln“ der Situation, aber Konsequenzen wurden noch nicht gezogen. Nebel nutzte die Gelegenheit, am Vorstand vorbei für seine Aktivitäten neue Geldquellen zu erschließen. Wernher von Braun wurde trotz seiner Jugend auf Empfehlung von Willy Ley in den Vorstand des Vereins gewählt. Willy Ley nahm sich erstmals wieder Zeit und reiste für eine Woche zu seinen Eltern nach Königsberg. Dort gab er ständig Interviews, war auf Vorträgen und in Seminaren, so dass er nach seiner Rückkehr erst einmal einen vollen Tag ausschlief. Gleichzeitig konnte er vor Ort klären, welches Verhältnis von Wasser und Alkohol mindestens eingehalten werden sollte, damit die Mischung auch brennt. Das wusste Julius Ley natürlich und konnte helfen. Somit war Riedel in der Lage, das explosive Benzin-Sauerstoff-Gemisch durch ein Alkohol-Wasser-Sauerstoff-Gemisch zu ersetzen. Dass diese Experimente weiterhin gefährlich waren, bekam auch Willy Ley zu spüren: über viele Jahre trug er Splitter eines explodierten Raketenmotors in seinem Körper.
Nebel verabredete im Frühjahr 1932 mit dem Heereswaffenamt einen Raketentest im Kummersdorf. Im Juli 1932 sollte ein Flug über 1.500 m vorgeführt werden, wofür eine Prämie ausgesetzt war. Aber die Flugweite wurde nicht erreicht, das Militär stufte das Ganze als Misserfolg ein und zahlte nur 1.500 Reichsmark. Mit auf dem Testplatz war der junge Student Wernher von Braun. Bereits im November wechselte er als Zivilangestellter zum Heereswaffenamt nach Kummersdorf, nachdem Major Becker und Dornberger ihn überzeugt hatten, dass Raketen nur durch das Militär erfolgreich zu bauen waren.
Zu Nebels weiteren Aktivitäten gehört das kuriose Kapitel der „Magdeburger Pilotenrakete“. Nach dem Fehlschlag mit dem Militär entwickelte man im Herbst 1932 eine acht Meter hohe Rakete, die einen Mann tragen sollte. Dafür stellte die Stadt Magdeburg neben einem Startgelände 20.000 Reichsmark zur Verfügung. Gleichzeitig sollte damit ein Beweis für die Hohlwelttheorie angetreten werden. Nachdem der Verein auch das Mitteilungsblättchen einstellen musste, publizierte Nebel sein „Mitteilungsblatt des Raketenflugplatzes“, sowie Ende 1932 eine Broschüre „Raketenflug“. Der Verein war zwar Träger aller Beschäftigungsmaßnahmen auf dem Raketenflugplatz (Freiwilliger Arbeitsdienst), Nutznießer waren aber der Flugplatz und Nebel selbst. Dies führte zu weiterer Entfremdung. Im Frühjahr 1933 gab v. Dickhuth-Harrach seinem Stellvertreter Ley den auftrag, ein Dossier über Nebel zusammenzustellen. Als es dann bei einer Prüfung Unstimmigkeiten gab, zog der Vorstand die Notbremse: Sie zeigten Nebel bei der Staatsanwaltschaft wegen Betruges an und schlossen ihn im Oktober 1933 aus dem Verein aus. Gleichzeitig versuchte Nebel, einen neunen Verein „Raketenflugplatz Berlin“ zu gründen. Dies wurde aber durch das Rechswehrministerium hintertrieben. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten veränderte sich die Situation grundlegend. Zwar versuchten die Nazis auch den Verein zu übernehmen. Aber im Vorstand waren nur „Arier“ und mit dem Vorsitzenden hatte man einen ehemaligen Frontkämpfer, so dass die junge Nazitruppe wieder abzog. Die Staatsanwaltschaft lehnte aber Ende November 1933 eine anklage gegen Nebel ab. So stiegen Ley und von Dickhuth Ende 1933 aus dem Verein für Raumschiffahrt aus und wechselten (mit einigen weiteren Mitgliedern) in den Verein für Fortschrittliche Verkehrstechnik. Von Dickhuth übernahm den Vereinsvorsitz. Diesen Verein hatte der Erfinder und Patentanwalt Dr. Otto Steinitz bereits 1920 gegründet. Zeitweilig arbeitete er als Patentanwalt für Oberth und auch Willy Ley verkehrte mit ihm und der Familie.Willy Ley übernahm gleich wieder die Schriftleitung einer Vereinszeitschrift „DAS NEUE FAHRZEUG“, die ab Februar 1934 regelmäßig bis 1937 erschien. Und er versuchte mit Steinitz und von Dickhuth-Harrach eigene Raketenentwicklungen aufzusetzen.
Willy Ley verlässt Deutschland
Aber nach 1933 behagte Ley die Atmosphäre in Deutschland nicht mehr. So meinte er im Mai 1934 in einem Brief gegenüber G. E. Pendray: „Ich sollte ein bißchen blonder sein in diesen Zeiten.“ Sein schwarzes, gewelltes Haar, sein Aussehen entsprachen nicht dem arischen Rasseideal. So passierte es ihm bei einer Gelegenheit, als er mit einer jungen blonden Frau (die Jüdin war) in Berlin spazieren ging, dass sie beschimpft wurde, warum sie denn mit so einem „dreckigen Juden“ herumlaufe. Anfang 1934, als der Berliner Verein schon Auflösungserscheinungen zeigte, kam Philip Cleator nach Berlin und traf sich dort mit Willy Ley und Rudolf Nebel. Ley wurde daraufhin Mitglied in der British Interplanetary Society (Mitgliedsnummer 390). Cleator und er hatten sich 1931 über das SF-Magazin WONDER STORIES kennengelernt, wo Willy Ley über die deutschen Aktivitäten berichtete und somit auch die Briten zur Vereinsbildung anregte. Die sollte erst 1933 erfolgen.
Als das Reichspropagandaministerium Vorgaben zu Berichten über Raketen machte, schränkten sich seine Arbeitsbedingungen ein. Folglich bereitete er offiziell eine „Journalistenreise“ ins Ausland vor. Im genannten Brief an Pendray schrieb er auch davon, dass er die Welt sehen möchte, insbesondere England und die USA. Im Oktober 1934 erreichte Cleator ein geheimnisvoller Brief aus Holland, den ein Freund von dort abgeschickt hatte. Darin stellte Ley fest, dass die Post geöffnet werde und zukünftig bitte keine offiziellen Briefumschläge oder Briefköpfe der Raketengesellschaften mehr verwendet werden sollten, „Rakete“ wäre zum Tabu-Wort geworden. In einem intensiven Brief- und Telegrammwechsel mit Pendray bereitete er eine Reise in die USA vor. Seine Bücher und Fotos schickte er in einem Paket voraus. Pendray bürgte bei den US-Behörden für ihn. Aber vom US-Konsulat in Berlin erhielt er wegen seiner Sehschwäche auf einem Auge kein Dauervisum sondern nur ein mehrmonatiges Besuchervisum. Ende Januar 1935 kabelte er an Pendray, dass seine Passage bestätigt sei und sich für ihn nun „ein alter Traum erfüllt.“ So bestieg er am 3. Februar 1935 am Bahnhof Zoo den Zug nach Düsseldorf, von dort weiter nach Hoek van Holland, mit der Fähre nach Harwich und dann weiter mit dem Zug nach London. In der Tasche hatte er die zulässigen zehn Reichsmark in Form von zwei neuen Fünfmarkstücken sowie das US-Touristenvisum für 1,25 Reichsmark. In London tauschte er das deutsche Geld in Schillinge und traf sich mit seinem alten Bekannten Prof. Low von der British Interplanetary Society. Dann ging es weiter zu Philip Cleator in Liverpool. In Liverpool wartete er auf eine Passage in die USA. Die gebuchte Fahrt der MS „Doric“ wurde mangels Passagiere abgesagt, so dass er ein paar Tage später in Southampton auf der „Olympic“ einschiffte.
Am 21. Februar 1935 traf er in New York ein, wo ihn seine Bekannten von der American Rocket Society erwarteten. Er wurde von G. Edward Pendray aufgenommen, der ihn auch bei den Einreiseformalitäten unterstützte und für ihn bürgte. Gleich nach seiner Ankunft bereitete er einen Vortrag über die Raketenentwicklungen in Deutschland vor. Der fand am 8. März 1935 im Rahmen der Veranstaltungen der American Interplanetary Society vor 800 Zuhörern statt. In den ersten Jahren war ihm aufgrund der Einwanderungsgesetze eine Vollbeschäftigung verwehrt. Er hielt sich mit Übersetzungen über Wasser, verdiente bis zu 50 US-Dollar im Monat. Ende 1936 begann er auch, SF-Kurzgeschichten zu verfassen. Die erste wurde bereits im Februar 1937 im SF-Magazin ASTOUNDING publiziert („At the Perihelion“). Das brachte zusätzliche Einnahmen. Zur Abgrenzung seiner wissenschaftlichen Arbeiten nutzte er dafür das Pseudonym Robert Willey. In dieser Zeit konnte er an zahlreichen Raketentests in den USA teilnehmen und selber Experimente durchführen. Darüber berichtete er in Artikeln, die nach seiner Abreise in Deutschland sowie Großbritannien erschienen. So veröffentlichte die Zeitschrift „DAS NEUE FAHRZEUG“ 1936 eine Artikelserie über die Raketenexperimente auf dem Greenwood-See.[10] Der New Yorker Briefmarkenhändler Frido Kessler hatte Willy Ley (und andere Raketenspezialisten) bereits kurz nach seiner Ankunft im April 1935 angeheuert, um eine Raketenpost abzuschießen. Ley brachte seine Triebwerksentwicklungen aus Deutschland hier zum Einsatz. 1937 war er für einige Zeit auf Kuba. Durch den Kinobesuch besserte er u.a. seine Englischkenntnisse auf. Mit der Rückkehr aus Kuba nach Florida verbesserten sich seine Einwanderungsbedingungen. Kurzzeitig war er mit der deutschen Journalistin Margot Hübener, die als Schriftleiterin für den Reichsverband der Deutschen Presse in den USA tätig war, verheiratet. Diese Liaison löste sich aber wohl schnell wieder.
Willy Ley als Publizist und Raketenspezialist
Seine SF-Geschichten brachten in in Verbindung mit dem Science Fiction Fandom und anderen Autoren, u.a. Robert Heinlein, in den USA. So nahm er im Januar 1939 am einen SF-Treffen auf Long Island teil und trat mit einem Vortrag auf. Diese Kontakte sollten sein Leben lang halten. Eine lebenslange Freundschaft verband ihn mit anderen Auswanderern wie Herbert Schäfer oder Fritz Lang. Anfang 1940 übernahm er in der Redaktion der linken New Yorker Zeitung PM die Wissenschaftsredaktion. Hier lernte er auch seine Frau Olga, eine Exilrussin kennen. Sie heirateten nach Weihnachten 1941. Im Januar 1943 erhielt er den Einberufungsbefehl, wurde aber aufgrund seiner Sehschwäche gleich wieder ausgemustert. Ihre Tochter Sandra kam 1944 zu Welt. Im gleichen Jahr erschien sein Werk „Rockets“, und Willy Ley wurde in den USA eingebürgert. War er im Herbst 1944 noch skeptisch, was die Raketenangriffe aus Deutschland auf Großbritannien anging, weil Raketen zu ungenau und uneffektiv wären, so war er Anfang 1947 bereits auf dem US-Versuchsgelände White Sands, um den Testflug einer erbeuteten V2-Rakete zu beobachten (war allerdings ein Fehlstart). Ende 1944, als sich die Berichte über Raketenangriffe auf London mehrten, begann er gezielt Material hierüber zu sammeln. Wenn überhaupt, dann vermutete er Prof. Oberth hinter diesen Entwicklungen. Aufklärung sollte er erst mit dem Besuch Wernher von Brauns Ende 1946 bekommen.[11] Durch die Vermittlung von Robert Heinlein kam er 1945 an das Washington Institut of Technology in der Hoffnung, hier Raketen für meteorologische Zwecke entwickeln zu können. Dies erfüllte sich letztlich aber nicht, da die deutschen Raketenspezialisten ab 1946 diese Aufgaben übernahmen. So wurde er freier Schriftsteller und Publizist.
Ende 1944 flüchteten seine Eltern aus Königsberg vor der Front in Richtung Deutschland und kamen Anfang 1945 in Dresden an. Sie erlebten den alliierten Luftangriff, sein Vater verstarb dort an den Strapazen der Flucht. Seine Mutter zog mit Schwester Hildegard weiter bis nach Wiesbaden. Die Tochter Xenia wurde 1947 geboren. Kurz zuvor hatte er Wernher von Braun nach mehr als zehn Jahren wiedergetroffen. Dieser war im September 1945 mit der ersten Gruppe seines Peenemünder Raketenteams in den USA angekommen. Am 6. Dezember 1946 trafen sie sich in Leys New Yorker Wohnung, öffneten eine Flasche Wein, redeten, rauchten, öffneten eine weitere Flasche und tauschten sich bis in den frühen Morgen über die vergangenen Jahre aus. All die neuen Erkenntnisse flossen gleich in seine bekannte Publikation „Rockets and Space Travel“ (1947). Für diese Edition kam er mit dem bekannten Illustrator Chesley Bonestell in Kontakt, der die kommende Propaganda-Serie mit Wernher von Braun über die Weltraumfahrt ausgestaltete. Eines seiner bestverkauften Bücher war dann „The Conquest of Space“ (1949).
Im Oktober 1947 gehörte er zu den Gründern des legendären Hydra-Clubs, eines Verbundes professioneller SF-Autoren. Die Gründung fand in der Wohnung von Frederick Pohl statt. Mit dazu gehörten u.a. Lester del Rey, David Kyle oder Harry Harrison. Man traf sich regelmäßig, stellte gegenseitig ein „Buch des Monats“ vor und tauschte seine Erfahrungen mit Verlegern und SF-Fans aus. Auch ein Magazin war geplant, kam aber über eine Nummer nicht hinaus.
Gemeinsam mit Wernher von Braun startete er Anfang der 50-er Jahre eine erfolgreiche Raumfahrtkampagne in den USA. Größter Erfolg neben Artikeln in populären Magazinen war eine von Disney produzierte Fernsehserie. So wurde er zu einem unbestrittenen Experten der Weltraumfahrt. Neben seiner wissenschaftlich-publizistischen Arbeit interessierte Willy Ley sich weiterhin für Science Fiction, war in Magazinen präsent, schrieb selbst SF-Stories, pflegte über mehr als zehn Jahre eine Kolumne in GALAXY und besuchte SF-Treffen.
Für die Fernsehserie „Tom Corbett – Space Cadet“ gewann man ihn als Berater, eine Aufgabe, die er schon für „Frau im Mond“ wahrgenommen hatte. Für die Comic Strip-Serie in Tageszeitungen lieferte er wissenschaftliche-technische Erklärungen, die dann von Zeichnern für die Wochenendausgabe grafisch umgesetzt wurden. Die 1952-er Geburtstagsnummer von GALAXY stellte ihn zusammen mit vielen anderen Autoren auf dem Titelblatt vor. Für seine Verdienste um die Popularisierung der Raumfahrt wurde er zwei Mal (1953, 1956) mit dem HUGO ausgezeichnet. Auch nach Deutschland entstanden wieder Kontakte. So gehört er neben Hugo Gernsback zu den ersten Unterstützern des neu gegründeten Science Fiction Clubs Deutschland. Seine Bücher wurden u.a. auch ins Deutsche übersetzt. Daneben gab er zusammen mit seiner Frau Olga Bücher über exotische Zoologie heraus. Zwanzig Jahre nach seiner Ankunft in der Neuen Welt konnte er Anfang Juli 1955 Prof. Hermann Oberth als Erster nach dessen Überfahrt auf amerikanischem Boden begrüßen. Seit den Rückzug Oberths aus dem Verein hatten sie sich nicht mehr gesehen.
In den Tagen, Wochen, ja Monaten nach dem Start von Sputnik 1 war er Ende 1957 ein gefragter Gesprächspartner. In zahlreichen Interviews und Artikeln musste er zum „Sputnik-Schock“ Stellung nehmen und warb in der Folgezeit verstärkt um ein amerikanisches Raumfahrtprogramm. Ab 1958 arbeitete Willy Ley beratend für verschiedene Institutionen, 1959 erhielt er die Ehrendoktorwürde an der Universität Adelphi. Dem folgte die Ehrendoktorwürde an der Failight Dickson University. In den Folgejahren erschienen weitere Bücher über Weltraumfahrt von ihm und er war unermüdlich zu Vorträgen unterwegs. Nach 1960 hatten die USA einen Präsidenten, der willens war, den technologischen Vorsprung des Landes mit einer Mondlandung zu demonstrieren. Leys publizistische Arbeit leistete dazu einen wichtigen Beitrag.Ab 1967 traten ernsthafte Gesundheitsprobleme auf. Er war immer starker Raucher gewesen, hinzu kam Übergewicht. Er starb am 24. Juni 1969 in New York mitten in seinen Reisevorbereitungen nach Houston an einer Herzattacke, nur wenige Tage bevor mit Neil Armstrong der erste Mensch seinen Fuß auf den Mond setzte. Nach Deutschland hat Willy Ley nie wieder einen Fuß gesetzt. Die Wissenschaftsgemeinde ehrte ihn mit der Benennung eines Kraters auf der Mondrückseite (L: 154° W, B: 43° N).
Footnotes
- ^ Ley, Willy: Exotic Zoology, New York, 1959, p. xi-xii
- ^ Ley: Rockets (1944), S. 112
- ^ Ley: Mars, der Kriegsplanet (1927), S. 5
- ^ Ley: The End of the Rocket Society, Astounding Science Fiction, Aug. 1943, S. 69
- ^ Ebd. S. 70
- ^ Der Roman erschien dann 2011 im Shayol-Verlag, Berlin
- ^ Bulletin, the American Interplanetary Society No. 2, 1930 (July), New York
- ^ Wonder Stories: The Reader speaks, Sept. 1930, S. 370, weitere Briefe erschienen dann Jan. 1931, Jan. 1932, Aug. 1932.
- ^ Dieser Tag gilt heute als Datum für den Start der ersten europäischen Flüssigkeitsrakete.
- ^ Ley: Die Versuche auf dem Greenwood-See, Das Neue Fahrzeug 3(1936), Nr. 3 u. Nr.4
- ^ Ley: Count von Braun, Journal of the British Interplanetary Society 6(1947) No. 5, S. 154 - 156