Kurt Heinisch by Wolfgang Both
From The Space Library
Kurt Heinisch (1910 - 1991)
Kurt Heinisch could have been the first astronaut. If the Magdeburg experiment would succeed the team of the Raketenflugplatz Berlin would create a larger manned rocket. But it failed in summer 1933. Kurt Heinisch was born in 1910 in Berlin/Germany and an early friend of Klaus Riedel. He was a jobless baker and found in spring 1930 the way to the group of young rocketeers. He had no technical education but gifted hands. At the rocket test field in Berlin he was one of the main engineers. For the rocket flight he trained as a parachutist and received one of the first civil certificates in 1933. After the closing of the rocket test field in 1934 he changed for Siemens Board Instruments and in 1938 to the Peenemünde rocket development center under Wernher von Braun. He was head of test stand No. 1. After the World War II he hided for some years in the countyside, then he came back to Berlin. He started as a driving instructor and founded his own company. Kurt Heinisch died in 1991.
Der verhinderte erste Astronaut
Fast wäre Kurt Heinisch der erste Astronaut der Raumfahrtgeschichte geworden. Die Rakete war konstruiert, die Triebwerkserprobung lief, er trainierte das Fallschirmspringen und machte sich körperlich fit. Er war gerade 22 Jahre alt, ein bißchen draufgängerisch und hoffte, seiner Arbeitslosigkeit durch diesen spektakulären Start entfliehen zu können. Wir schreiben das Jahr 1932, die deutsche Wirtschaft ist durch die Weltwirtschaftskrise schwer getroffen, die Arbeitslosigkeit und die politische Radikalisierung steigen dramatisch, Regierungen haben immer kürzere Halbwertszeiten bis zum Zerfall, die Nationalsozialisten sind auf dem Vormarsch. In Berlin-Reinickendorf arbeitet ein Häufchen Enthusiasten unverzagt am Traum vom Weltraumschiff. Der 1927 in Breslau gegründete „Verein für Raumschiffahrt“ ist inzwischen auf einem entlegenen Militärgelände im Berliner Norden tätig. „Raketenflugplatz“ nennen sie stolz das Areal. Die Raketentriebwerke, die sie von Faustgröße auf Pferdekopfgröße entwickelt haben, röhren zwischen Betonwänden und Erdwällen. Das Militär beobachtet die Aktivitäten argwöhnisch und ist gerade dabei, einen jungen Mann abzuwerben, der noch Geschichte schreiben wird.
Dies gelang Kurt Heinisch leider nicht, sein Traum zerschellte im Sommer 1933 mit der Versuchsrakete auf einem Feld bei Magdeburg. Kurt Heinisch wurde am 18. Oktober 1910 als fünftes Kind des orthopädischen Schuhmachermeisters Joseph Heinisch in Berlin geboren. Die Familie führte einen bürgerlichen Haushalt, Wohnung und Geschäft des Meisters lagen in der bekannten Friedrichstraße, nach dem I. Weltkrieg dann in der Wilhelmstraße. Zu seinen Kunden gehörten Militär und Adel ganz Preußens. Ein Kindermädchen half bei der Erziehung. So konnte Kurt ab 1916 auch das Askanische Gymnasium – eine bekannte Eliteschule - besuchen. Dort traf er u.a. Klaus Riedel, einen der älteren Mitschüler. Riedel war Vollwaise und wuchs bei seinem Onkel Carl in Berlin auf. Für einige Zeit waren beide auf der gleichen Schule, bis sich ihre Wege für einige Jahre wieder trennten. Weder Klaus noch Kurt konnten ihre Schulausbildung auf dem Askanischen Gymnasium abschließen, Klaus wechselte auf das Realgymnasium Berlin während Kurt auf die Bertram-Realschule mußte. Hintergrund war der wirtschaftliche Niedergang des väterlichen Familienbetriebes infolge des Zusammenbruchs des Kaiserreiches und der Inflation. Das Geschäft ging zurück, auch der Verkauf von Immobilien rettete das väterliche Unternehmen nicht. Kurt machte 1924 nach dem Abschluß der Gemeindeschule eine Bäckerlehre, obwohl dies nicht seinen Neigungen entsprach und die ihn 1928 in die Arbeitslosigkeit entließ. Zwischenzeitlich machte er seinen Führerschein und hielt sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Zufällig stieß er Mitte 1930 wieder auf Klaus Riedel, der sich inzwischen dem „Verein für Raumschiffahrt“ angeschlossen hatte, um mit Rudolf Nebel die Entwürfe von Prof. Oberth zu Raketentriebwerken weiterzuentwickeln. Obwohl ohne jegliche technische Ausbildung wurde Kurt Heinisch schnell unentbehrlich: er hatte einfach ein goldenes Händchen beim Bauen, Drehen, Schrauben und Verbinden. Nachdem die ersten Tests in der Chemisch-Technischen Reichsanstalt im Sommer 1930 erfolgreich verlaufen waren, suchte man ein Testgelände. Im Sommer wich man auf das Grundstück von Riedels Großmutter in Bernstadt in der Oberlausitz aus. Auf dem Feld hinter den Hof gab es zwar genügend Platz. Aber die Beschaffung der Treibstoffe, insbesondere flüssiger Sauerstoff, war recht umständlich. Kurt Heinisch bewährte sich als Fahrer wie als technischer Helfer für die ersten Testläufe. Zwischenzeitlich war es Rudolf Nebel (mit Hilfe des Heereswaffenamtes) gelungen, ein Gelände in Berlin ausfindig zu machen: den ehemaligen Schießplatz Tegel. Das Militär hatte bereits 1871 beschlossen, ihn aufzugeben und war 1876 nach Kummersdorf im Süden von Berlin gezogen. Die Chemisch-Technische Reichsanstalt lag gleich nebenan am Tegler Weg, das Gelände lag brach, hatte alte Munitionsbunker, war abgelegen und gehörte der Stadt. Die verpachtete es Mitte September 1930 für 10 Reichsmark an Nebel. Hier entstand der „Raketenflugplatz“ Berlin-Tegel. Bis zum Winter mussten die Bauten entrümpelt und eingerichtet werden. Dann konnten die Tests fortgeführt werden, Werkstätten, Prüfstände und Startrampen entstanden.
Inzwischen hatte Prof. Oberth nicht nur den Vereinsvorsitz zurückgegeben, er war auch aus dem VfR ausgetreten. Nebel nutzte geschickt das Vakuum im Verein und stellte ihn ganz in seine Dienste für den Raketenflugplatz. Zwar übernahm Willy Ley provisorisch die Leitung, aber Nebel als Geschäftsführer machte die Verträge mit der Arbeitslosenhilfe und den Lieferanten. Auf diesem Wege kam man sowohl an (arbeitsloses) Personal wie an Material für die weitere Arbeit.
Das Militär schaute gelegentlich (in Zivil) vorbei, beobachtete aber auch die anderen Teams, wie Winkler oder Tiling. Es gab finanzielle Unterstützung in der Hoffnung, etwas solider und weniger marktschreierischer Aktivitäten. Für 1932 verabredete man einen Testflug auf dem Kummersdorfer Gelände und versprach bei Erfolg reichliche Entlohnung. Allein, die kleine Rakete knickte kurz nach dem Start ab und verfehlte die versprochenen Parameter. Das Militär verweigerte die Zahlung. Aber Wernher von Braun war von der Einrichtung so beeindruckt, dass er sich im Nov. 1932 von Tegel nach Kummersdorf abwerben ließ. Nebel, Riedel, Heinisch und die anderen machten unverdrossen weiter. Nebel gelang es nur einen Monat später, mit dem Magdeburger Ingenieur Mengering ins Geschäft zu kommen, um dort eine bemannte Rakete zu starten. Während Mengering Anhänger der Hohlwelttheorie war und mit dem Start die Theorie beweisen wollte, erkannte Nebel die Chance auf eine neue Geldquelle. Bereits im Dezember beschloss der Stadtrat die Finanzierung des gewagten Vorhabens. Gemeinsam arbeitete man an stärkeren Triebwerken und Kurt Heinisch wurde zum Testpiloten erkoren. Im ersten Schritt sollte in Magdeburg eine Versuchsrakete kleiner Bauart starten. Der Start war für den Sommer 1933 vertraglich festgelegt. Fieberhaft arbeitete man in Berlin an den technischen Problemen und Heinisch nahm ein Fallschirmspringertraining auf. Seinen ersten Sprung vollführte er am 25. April 1933. Bei der Landung verstauchte er sich gleich seinen linken Fuß. Als einer der Ersten in Deutschland erhielt er am 26. Mai 1933 einen amtlichen Ausweis als „Fallschirmabspringer“.
Um das Startgestell schnell errichten zu können, hatte man eine Holzkonstruktion mit Führungsrollen gewählt. In Berlin entworfen, gebaut und demontiert nach Magdeburg geliefert. In der Nacht vor dem Start regnete es in Magdeburg, das Holzgestell verzog sich, beim Start klemmte eine Rolle, die Rakete kam von der Senkrechten ab und schlug nach nur 60 m auf dem Boden auf. Das Neue Magdeburger Tageblatt feierte den Start zwar als Erfolg, stellte Kurt Heinisch in einem Artikel als ersten Raketenpiloten vor. Aber die Enttäuschung war groß und die Organisation Nebel zog sich wieder nach Berlin zurück, um weitere Tests vorzunehmen. Der Raketenflugplatz war zu eng geworden, so ging man aufs Wasser und auf die Inseln der Berliner Seenlandschaft.
Aber langsam gingen die finanziellen Mittel aus, zudem bahnte sich ein Streit im Verein an. Wie der Vorstand beklagte, hatte Nebel seine Arbeit an den Projekten ihm gegenüber ziemlich „vernebelt“. Diese Situation nutzte das Heereswaffenamt, um eine Schließung des Raketenflugplatzes und eine Einstellung der privaten Raketenforschung zu erreichen. Nebel wurde verhaftet, der Raketenflugplatz gekündigt und ausgeräumt. Heinisch gelang es, im beginnenden Wirtschaftsaufschwung wieder Arbeit zu finden. Mit Klaus Riedel wechselte er 1934 zu den Siemens Apparate- und Gerätewerken, wo sie an der Entwicklung von Bordtechnik arbeiten. Später bemerkte Wernher von Braun einmal dazu, dass sie „auf Eis gelegt worden seien“. Anfang 1938 folgte er Riedel nach Peenemünde in die neu aufgebaute Heeresversuchsanstalt unter der Leitung von Wernher von Braun. Er stieg schnell auf und wurde Leiter des Prüfstandes I. Seine Familie kam mit nach Usedom und sie wohnten im Dorf Peenemünde, Hindenburgstr. 26, unweit des Hafens. Sie erlebten dort den Angriff der Alliierten im August 1943. Aufgrund von Beziehungen zu anderen Frauen zerbrach die Ehe, die Kinder wurden zeitweise in Ahlbeck und Anklam untergebracht. Die Ehe wurde Ende 1943 geschieden. Heinisch wechselte 1944 kurz nach dem Tod von Klaus Riedel als Zivilangestellter ins Heereswaffenamt nach Berlin und war dort für Beschaffungen und Abstimmungen im Raketenprogramm verantwortlich. Im Januar 1945 wurde er noch zum Kriegsdienst eingezogen und kam im April 1945 im Harz in amerikanische Kriegsgefangenschaft.
Da er im letzten Jahr nicht mehr zum engeren Team gehörte, stand er auch nicht auf der Übernahmeliste der Raketenspezialisten, die Wernher von Braun für die Amerikaner zusammengestellt hatte. Er wurde bereits im Juni 1945 wieder aus der Gefangenschaft entlassen, „tauchte ab“ und ging mit seiner zweiten Frau zu ihrer Familie aufs Land nach Bleckendorf bei Magdeburg. Dort arbeitete er als Mechaniker in der Landwirtschaft. Erst 1950 kam er wieder nach Berlin zurück und versuchte, sich in verschiedenen Berufen, u.a. als Schauspieler oder Makler, eine neue Existenz aufzubauen. Schließlich wurde er Fahrlehrer, gründete ein eigenes Unternehmen und heiratete 1969 ein drittes Mal.
Kurt Heinisch starb am 13. Juli 1991 in Berlin. Seine Asche wurde in der Ostsee bestattet, um seiner schönsten Zeit in Peenemünde nahe zu sein.